Was ist Shabby Chic

Shabby Chic: was ist das eigentlich?

Aus unserer Reihe „kleiner Ratgeber (nicht nur) für unsere Kunden“

Ein Fachartikel von Tilo Klesper

Dieser Artikel erklärt ausführlich den Einrichtungs-Stil „Shabby Chic“. Der Artikel ist dementsprechend umfassend und ziemlich lang. Wem er zu lang ist: es gibt eine Zusammenfassung:
» Direkt zur Zusammenfassung

1. Einleitung

„Shabby Chic“ ist die Bezeichnung eines bestimmten Einrichtungs-Stils, der in den 1980er-Jahren in England entstand und seit ca. 2012 weltweit einen wahren Hype ausgelöst hat. Artikel aller Art, die unter der Rubrik Shabby Chic angeboten werden, erleben inzwischen einen wahren Verkaufs-Boom. Einfach ausgedrückt: Shabby Chic ist „in“.

Aber was ist Shabby Chic eigentlich? Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Wir sind selber Anbieter von diversen Möbelstücken und Wohn-Accessoires im Shabby Chic, daher möchten wir mit diesem Artikel die Fakten und die individuellen Interpretationen zu diesen Stil erörtern und zusammenfassen. Anlass für diesen Artikel: Die gängigen Erklärungen erscheinen uns zu kurz, teilweise sogar falsch. Auch der Artikel in Wikipedia ist uns zu kurz, er ist aber eine brauchbare Zusammenfassung. Andere Darstellungen wiederum sind Marketing-Beiwerk in Online-Shops. Und in Internet-Foren und Facebook-Gruppen wird immer wieder gefragt: Shabby Chic – was ist das? Dieser Ratgeber-Artikel stellt daher etwas ausführlicher und sachlicher dar, was Shabby Chic eigentlich ist.

Hinweis: In diesem Artikel werden umfassend Beispiele zu den verschiedenen Ausprägungen des Shabby Chic vorgestellt. Er ist jedoch keine Anleitung zum Selbermachen.


2. Begriffsklärung

Zunächst möchten wir die Übersetzung des englischen Begriffs „shabby“ voranstellen. Vieles erklärt sich bereits daraus.

Quelle: Langenscheidt

shabby [‚ʃæbi] adj.

  1. shabby clothes etc: schäbig, abgetragen, fadenscheinig, abgenutzt
  2. shabby poorly dressed: schäbig, lumpig, zerlumpt, trüb-, armselig
  3. shabby contemptible: gemein, niederträchtig, verächtlich, schäbig
  4. shabby stingy: schäbig, kleinlich, schofel

Weitere Übersetzungen (Auszug): dict.leo.org

  1. unansehnlich
  2. verwahrlost
  3. heruntergekommen
  4. lumpig

Die Übersetzungen „schäbig“, „abgenutzt“ und „heruntergekommen“ werden meist als einzige in den verbreiteten Definitionen und Erklärungen angegeben, sei es im Internet oder in sog. Fachmagazinen. Es gibt sogar Verfechterinnen der radikalen Ansicht, dass der wahre Shabby Chic einfach nur schäbig sein muss. Entsprechend müssen nach deren Ansicht entsprechende Artikel möglichst primitiv sein oder möglichst primitiv hergerichtet sein. Noch radikalere Ansichten reduzieren dabei die primitive Herrichtung auf ein „Aufbringen“ weißer Wandfarbe. Dass dies jedoch nicht die urprüngliche Idee des Shabby Chic ist, wird schnell anhand der folgenden Fakten klar.

Unserer Ansicht nach kommt man der richtigen Interpretation nämlich näher, wenn man in den Wörterbüchern weiterliest:

Quelle: Oxford Dictionairies

shabby chic

A style of interior decoration that uses furniture and soft furnishings that are or appear to be pleasingly old and slightly worn.

Oder bei leo.org:

shabby genteel adj.

  1. vornehm trotz Armut, edel aber arm, mit Spuren ehemaligen Glanzes, eine verblichene Eleganz zur Schau tragend

shabby gentility

  1. verblichene Eleganz, vornehme Armut

Aha! Hier geht es also um die Begriffe vornehm, edel und Eleganz bzw. verblichene Eleganz. Das passt auch wesentlich besser zur Entstehungsgeschichte des Shabby Chic.


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3. Entstehungsgeschichte des Shabby Chic

Hierzu ein Auszug aus der Wikipedia:

Der Stil entstand in den 1980er Jahren in Großbritannien in Anlehnung an die Einrichtung großer, alter Landsitze der Gentry und war ursprünglich eine nichtkommerzielle Gegenbewegung zu der Neigung der oberen Mittelklasse, sich kostspielige Innenausstattungen im viktorianischen Stil anzuschaffen.

Gentry: Bezeichnung für den englischen Landadel (Anm. d. Verf.)

Shabby Chic - Altes Stilsofa
Shabby Chic – Altes Stilsofa

Die Stücke stammten dabei vor allem aus Nachlässen und von Flohmärkten. Die Stücke wurden zunächst allenfalls gereinigt, aber nicht weiter aufbereitet. Sie kamen deshalb im wahrsten Sinne des Wortes „abgenutzt“ daher. Dafür waren es aber oft (noch) echte Originale. Später wurden dann auch Möbel vom Trödel, möglicherweise auch vom Sperrmüll (wofür wir allerdings keine belastbaren Quellen gefunden haben) für diesen alternativen Einrichtungs-Stil verwendet. Diese Möbel wurden, wenn sie stark „heruntergekommen“ waren, vor allem mit Farbe aufbereitet. Dabei wurden insbesondere zarte und pastellene Farben verwendet. Eine einheitliche Aufbereitung in weiß gab es damals noch nicht. Erlaubt war, was gefiel.

Waren es zunächst gebrauchte Möbelstücke, die im ursprünglichen Sinn des Shabby Chic als Alternative zu den kostspieligen Edel-Möbeln der englischen Upper Middle-Class zum Trend wurden, kamen bald schon Klein-Möbel, Accessoires und später noch Deko-Artikel hinzu. Heute umfasst das Angebot Möbel, Accessoires, Deko-Artikel, elektrische Leuchten, Stoffe, Gardinen und neuerdings auch Garten-Deko im Shabby-Chic. Und es ist ein riesiger Markt für diese Stilrichtung entstanden. Zunehmend werden dabei auch Artikel als „shabby chic“ angeboten, die mit dieser Stilrichtung nur mit viel (Marketing-)Phantasie etwas zu tun haben. Damit kommen wir nun zum kommerziellen Aspekt.

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Kommerziell wird der Begriff in den 1990er Jahren mit der Eintragung als Warenzeichen. In diesem Zusammenhang hat auch die englische Stylistin Rachel Ashwell einen erheblichen Einfluss auf die Interpretation, was Shabby Chic eigentlich ist. Lesen wir weiter in Wikipedia:

1989 eröffnete die englische Stylistin Rachel Ashwell einen Laden in Santa Monica, Kalifornien, wo sie mit Originalen von Flohmärkten handelte. So ist inzwischen Rachel Ashwell Teilhaberin zahlreicher Labels, die der Firma Shabby Chic Brand LCC in Culver City, California, gehören, welche sich auch das Oxymoron Shabby Chic als Warenzeichen schützen ließ. Die Firma stellt unter anderem Stilmöbel her, bei denen die Spuren der Abnutzung wie bei Jeans künstlich erzeugt werden.

Inzwischen hat sich eine riesige Industrie auf die Herstellung von allen möglichen Artikeln im Shabby Chic spezialisiert. Und die Definition dessen, was als „shabby“ gilt, wird von den Anbietern immer mehr ausgeweitet. Der Großteil aller Angebote stammt heute im wesentlichen aus fernöstlicher Serienfertigung. Die Unterschiede in der Qualität sind groß, es reicht von „schäbig“ (man kann auch sagen „billig-primitiv“) bis hin zu hochwertigen und künstlerisch anspruchsvollen Artikeln. Letztere sind oft gebrauchte Einzelstücke, die von kleinen Manufakturen liebevoll in antikem, gebrauchten Look aufbereitet werden. Shabby ganz im Sinne von „verblichene Eleganz“, siehe weiter vorne. (Antik mit Stil ist beispielsweise eine solche Manufaktur.) Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Amateure, deren handbemalte Unikate eher unter die Rubrik „schäbig“ bis „primitiv“ fallen.

Diese Bandbreite von primitiv bis hochwertig gibt es in allen Marktbereichen: im Angebot privater Verkäufer, bei kleinen Händlern und auch bei den großen Handelsunternehmen und deren Produzenten. Leider ist der Qualitätsunterschied für den Käufer oft nicht ersichtlich. Jedenfalls nicht, so lange ein Artikel nur anhand von Fotos in Katalogen und Online-Shops beurteilt werden kann.

Anstelle einer Definition können wir an dieser Stelle erst einmal festhalten: Mit dem ursprünglichen Einrichtungsstil aus dem England der 80er Jahre hat der Großteil des Shabby Chic von heute nichts mehr zu tun. Über alle Entwicklungen hinweg gilt aber: Shabby Chic ist der moderne Ausdruck für Einrichtungsgegenstände, die eine nostalgische Anmutung haben. Egal, ob echt (weil antik) oder gezielt nachgemacht.

Hier stellen sich nun folgende Fragen:

  • Was sind die wesentlichen Merkmale dieser nostalgischen Anmutung?
  • Was gilt für die vielen Angebote weiß angestrichener Artikel, die nicht nostalgisch aussehen?
  • Was ist der Unterschied zu Vintage- und Retro-Stil?

Bevor wir uns mit diesen Fragen befassen, möchten wir zunächst die drei wesentlichen Ausprägungen des Shabby Chic-Stils vorstellen. Diese sind zum besseren Verständnis hilfreich.


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4. Die drei wesentlichen Ausprägungen des Shabby Chic

Die drei wesentlichen Ausprägungen sind:

  1. Der ursprüngliche Shabby Chic mit authentischen Originalen
  2. Die Aufbereitung neuer und gebrauchter Gegenstände im „used look“
  3. Industrielle Massenproduktion neuer Artikel

Zusätzlich gibt es regionale Unterschiede.

4.1. Der ursprüngliche Shabby Chic mit authentischen Originalen

Ursprünglich ein alternativer Einrichtungs-Stil in England, entstanden in den 1980er Jahren. Möbel und Accessoires stammen aus Nachlässen (Erbstücke) und vom Flohmarkt. Es handelt sich hier (noch) hauptsächlich um edle Stücke und Antiquitäten, auf jeden Fall aber um gebrauchte Gegenstände, die ihre Geschichte in Form von Abnutzungs- und Gebrauchsspuren offen zur Schau tragen.

Eine Aufbereitung mit Farbe gibt es zunächst nicht. Als später Farbe ins Spiel kommt, entwickeln sich zwei verschiedene Trends. Der eine Trend ist, zarte Pastell-Farbtöne zur Aufbereitung alter Stücke zu verwenden. Die Pastelltöne gehören auch heute noch zum Shabby Chic. Andererseits wird es bunt nach dem Motto: Erlaubt ist, was gefällt. Im Folgenden wird klar, warum knallige Farben im allgemeinen nicht zum Shabby Chic gehören. Eine einheitliche Reduzierung auf die Modefarbe Weiß gibt es damals noch nicht.

4.2. Die Aufbereitung neuer und gebrauchter Gegenstände im „used look“

Shabby Chic - Neuer Vitrinenschrank auf alt getrimmt
Shabby Chic – Neuer Vitrinenschrank auf alt getrimmt

Neue und gebrauchte Einrichtungsgegenstände werden gezielt so aufbereitet, dass sie möglichst alt und abgenutzt aussehen. Ende des 20. Jahrhunderts gibt es zunächst die Bezeichnung „used look“ hierfür (etwa: gebrauchtes Erscheinungsbild). In den 2010er Jahren verschwindet diese Bezeichnung und der Begriff Shabby Chic etabliert sich.

Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung haben die Fachmagazine für Inneneinrichtung und Dekoration, die diesen Stil als neuen Trend Style für sich aufnehmen, sowie der allgemeine Trend, dass Möbel und Deko-Artikel zunehmend über das Internet gehandelt werden. „Shabby Chic“ als Kategorie und Suchbegriff helfen bei Plattformen wie Ebay, entsprechende Artikel leichter auffindbar zu klassifizieren.

Weiß setzt sich als einheitliche Farbe gegen die bisherigen Pastelltöne durch. Oder anders ausgedrückt: Die Massenware wird einheitlich in weiß oder antik aussehendem Grau angeboten, exklusive Artikel stechen durch ihre kombinierten Farben aus der Masse heraus. (Der Umkehrschluss „bunte Farbe bedeutet exklusiver Artikel“ gilt dagegen NICHT ALLGEMEIN.) Eine kleine, flexible Manufaktur, wie sie die Antik mit Stil GmbH betreibt, kann daher durch exklusives Design und gutes Handwerk hochwertige Unikate zaubern, die sich von den üblichen Einheitsangeboten positiv abheben. So können wir gegen den Wettbewerb bestehen, indem wir immer wieder neue Kunden gewinnen, die das Außergewöhnliche suchen.

4.3. Industrielle Massenproduktion neuer Artikel

Shabby Chic - Industrieware aus China
Shabby Chic – Industrieware aus China

Die Nachfrage nach Shabby Chic-Artikeln kann seit Jahren schon nicht mehr durch antike Originale und regional handgefertigte Artikel gedeckt werden. Der größte Teil der heute angebotenen Artikel stammt aus fernöstlicher Serienproduktion. In Deutschland werden diese Artikel zwar von einer Vielzahl von Händlern und Handelsketten angeboten, die ihrerseits aber von nur wenigen Großhändlern beliefert werden. Diese Großhändler haben sich auf den Import direkt von den Produzenten spezialisiert und geben zum Teil auch direkt die Produktionsaufträge an die Hersteller. Es ist leicht einzusehen, dass ein Schiffs-Container aus China voller industriell produzierter Wandspiegel, Pinienzapfen, Deko-Herzen, Flechtkränze, Konsolen, Beistell-Tische, Kerzenständer, Leuchten, Kleinmöbel etc. einen erheblich günstigeren Pro-Stück-Preis ergibt als die Produktion z.B. in Deutschland.

Und bei günstigen Preisen sieht ein Großteil der Kunden auch über eine geringere Qualität gerne hinweg.

Hierzu ein Beispiel: ein originaler Barockspiegel kostet eine fünfstellige Summe, wenn das originale Spiegelglas noch vorhanden ist. Mit einem Ersatz-Spiegelglas immer noch mindestens 2.000,- Euro. Nachbildungen aus dem Historismus (immerhin ebenfalls echte Antiquitäten) kosten zwischen 300,- und 600,- Euro (Stand 2016). Kopien aus China kosten neu ab 100,- Euro. Dabei ist der Rahmen zwar aus Kunststoff statt aus Holz bzw. Gips auf Holz, aber der Unterschied ist auf den ersten Blick nicht zu sehen. Und bei guten Kopien auch für das geübte Auge erst bei genauem Hinsehen.

Das Ganze kann man durchaus positiv sehen: Es ist heute möglich, sich auch mit kleinem Budget ein nostalgisches Ambiente schaffen, wenn man minderwertige Produkte und Kitsch ausschließt.

4.4 Regionale Unterschiede

Neben der Einteilung nach der zeitlichen Entwicklung können auch regionale Ausprägungen festgestellt werden. Dies sind im wesentlichen Unterschiede im Stil:

  • Der englische Shabby Chic: In England und Teilen des Commonwealth ist seit dem viktorianischen Zeitalter eine romantische Anmutung prägend für alle Aspekte der Inneneinrichtung. Porzellan-Sammler kennen die Rosen-Dekors der britischen Traditions-Hersteller. Auch bei Polstermöbeln und Accessoires finden wir häufig Rosen-Motive, zum Beispiel bei aufbereiteten Polstermöbeln im Shabby Chic. Im nächsten Kapitel (5.2.) wird ein Beispiel hierzu gezeigt.
  • In den USA werden englische Entwicklungen und Stile gerne aufgegriffen. Die Vorliebe für besonders romantische Erscheinungsbilder wird hier manchmal so überhöht, dass wir sie fast als kitschig empfinden.
  • Der skandinavische Shabby Chic: Dies ist im Grunde der schwedische Shabby Chic. Er orientiert sich am historischen Vorbild des gustavianischen Stils. Ein Beispiel hierzu wird ebenfalls in Kapitel 5.2 gezeigt.
    » Direkt zu Kap. 5.2. „Historische Stile“
  • Der deutsche Shabby Chic: Erst vor einigen Jahren wurde bei uns der Begriff „used look“ durch „Shabby Chic“ abgelöst. Damit einher ging eine Welle der – nennen wir es „Weiß-Macherei“ – los. Weiß angemalte Möbel und Accessoires wurden – insbesondere über Ebay – verkauft wie warme Semmeln. Private und gewerbliche Anbieter kamen teilweise mit der Beschaffung und Bemalung solcher Möbel kaum mit der Nachfrage mit. Auch die Hersteller und Importeure von fernöstlicher Fabrikware konzentrierten sich auf diesen Trend. Angebote im romantischen Stil (z.B. unsere eigenen) waren dagegen exklusiv und wurden von Kunden gekauft, die das Besondere suchten. Seit 2015 werden von den fernöstlichen Herstellern und den hiesigen Importeuren vermehrt auch höherwertige Artikel angeboten, die nicht mehr nur primitives Weiß bieten. Wir haben solche Artikel inzwischen ebenfalls in unser Sortiment aufgenommen und wir sind neugierig, wie sich der deutsche Markt hier entwickelt.

Kommen wir nun zurück zu unserer Aussage von vorhin:
Shabby Chic ist der moderne Ausdruck für Einrichtungsgegenstände, die eine nostalgische Anmutung haben. Egal, ob echt (weil antik) oder gezielt nachgemacht.
Und damit zurück zu den Fragen:

  • Was sind die wesentlichen Merkmale dieser nostalgischen Anmutung?
  • Was gilt für die vielen Angebote weiß angestrichener Artikel, die nicht nostalgisch aussehen?
  • Was ist der Unterschied zu Vintage- und Retro-Stil?

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5. Was sind die wesentlichen Merkmale dieser nostalgischen Anmutung?

Shabby Chic - Wanduhr im Nostalgie-Look
Shabby Chic – Wanduhr im Nostalgie-Look

Ganz klar ist, dass historische Originale die Nostalgie per se in sich tragen. Imitationen von Möbelstücken oder Deko-Artikeln, die die äußere Form historischer Vorbilder aufgreifen, können auf den ersten Blick ebenfalls einen historischen, antiken oder auch nur nostalgischen Eindruck machen. Ein besonders gutes Beispiel hierfür sind die Stilmöbel der 50er- bis 80er-Jahre, z.B. die Chippendale-Nachahmungen. Verstärkt wird dieser Eindruck durch sichtbare Abnutzungs- und Gebrauchsspuren. Wenn ein Artikel nicht antik ist, dann wird er mit Hilfe verschiedener Techniken auf ein antikes Aussehen getrimmt. Dies wird im Fach-Jargon auch Antikisierung genannt. Gleiches gilt für die nostalgische Anmutung, die ebenfalls künstlich hergestellt werden kann. Zu den entsprechenden Techniken gibt es im folgenden ein eigenes Kapitel.

Doch zunächst stellen wir hier fest: es gibt einen sprachlichen Unterschied zwischen „antik“ und „nostalgisch“. Tatsächlich finden wir diesen Unterschied auch ganz real in den verschiedenen Waren wieder, die unter dem Stil-Begriff Shabby Chic angeboten werden. Genau genommen müssen wir sogar unterscheiden zwischen „antik“ und „antikem Erscheinungsbild“. Letzteres ist im Shabby Chic (und anders benannten Stil-Richtungen wie z.B. „Vintage“) meistens künstlich erzeugt. Beim Begriff „nostalgisch“ gibt es diese Unterscheidung nicht, denn hier handelt es sich ohnehin um eine Beschreibung der Anmutung (Ausstrahlung, Erscheinungsbild). Alle uns bekannten Medien-Artikel (Erklärungen) beachten diese Unterscheidung allerdings nicht. Wir wollen hier eine genauere Darstellung bieten. Warum uns das wichtig ist, wird im folgenden klar.

Die Merkmale eines antiken Erscheinungsbildes sind zum einen die Formgebung und zum anderen die Art und Weise der Oberflächen-Gestaltung. Nur wenn beide einigermaßen miteinander harmonieren, erscheint ein Artikel antik. Stellen Sie sich als Beispiel ein Billy-Regal von IKEA vor, das mit Farben und künstlichen Gebrauchsspuren aufgearbeitet wurde. Es kann nicht antik wirken, weil ihm die konstruktiven Stil-Elemente antiker Vorbilder fehlen. Dennoch kann es nostalgisch wirken, wenn es Gestaltungs-Elemente mitbringt, die für den Betrachter einen gedanklichen Bezug zur Vergangenheit herstellen.

Was sind solche Gestaltungs-Elemente? Die wichtigsten und häufigsten sind:

  • Künstliche Gebrauchsspuren
  • Historische Farbkombinationen und Stile
  • Historische bzw. nostalgische Motive

Im Folgenden werden diese Gestaltungs-Elemente näher beschrieben. Außerdem gehen wir in einem eigenen Kapitel auf die spezielle nostalgische Formgebung im Shabby Chic ein.

5.1 Künstliche Gebrauchsspuren

Im ursprünglichen Shabby Chic waren es echte Alters- und Gebrauchsspuren, die den alten Möbeln und Einrichtungs-Gegenständen eine authentische Ausstrahlung vergangener Zeiten verliehen. Antike Möbel, unrestauriert – die ultimative Nostalgie. Im Gegensatz zu restaurierten Antiquitäten auch heute noch günstig auf Flohmärkten und im Internet zu finden, wenn auch nicht mehr so häufig wie vor 10 oder 20 Jahren.

Shabby Chic und Vintage - künstliche Alterserscheinungen
Shabby Chic und Vintage – künstliche Alterserscheinungen

Im Trend, und damit ungleich zahlreicher angeboten, liegen heute neue Möbel und Deko-Artikel, die künstlich auf alt getrimmt sind. Die einfachste Technik dazu ist das Anschleifen von Ecken und Kanten von (Holz-)Möbeln nach der Lackierung. Bei Deko-Artikeln aus Metall war zunächst künstlich herbeigeführte Korrosion das Mittel der Wahl. Heute wird dieser Effekt meist durch eine passende Lackierung erzielt, was in der Produktion wesentlich schneller und günstiger ist. Künstliche Patina ist eine alte und bewährte Technik, die vor allem bei Bilderrahmen verwendet wird. Mit abrasiven Farben, z.B. Kreidefarbe, und farbigen Pigment-Möbelwachsen lassen sich weitere Effekte realisieren.

Mit höherem Aufwand lässt sich die Antikisierung beliebig perfektionieren, bis hin zu Möbeln und Deko-Artikeln, die erst auf den 3. oder 4. Blick als nicht antik zu erkennen sind. Hier kommen z.B. künstliche Holzwurm-Löcher und erblindete Spiegelgläser hinzu.
Dieser Aufwand hat natürlich erstens seinen Preis und solche Artikel zählen damit auch nicht mehr zum Shabby Chic. Siehe hierzu den Abschnitt „Vintage“.

Damit haben wir ein weiteres Merkmal des Shabby Chic heraus gearbeitet:
Die Bezeichnung „Shabby Chic“ gilt auch als Synonym für „nicht perfekt“.

5.2 Historische Farbkombinationen und Stile

Hier muss es besser heißen: nostalgische Farben oder antik wirkende Farben. Denn im Shabby Chic gibt es kaum historische Vorbilder für die Farbgebung. Außer weiß natürlich. Weiß wurde schon immer weltweit verwendet. Andere Farben, z.B. blass-grün, dagegen nur regional, wie in Bayern und Tirol.

Original Historismus-Sofa
Original Historismus-Sofa

Zunächst spielten Farben im ursprünglichen Shabby Chic aber gar keine Rolle. Die Möbelstücke wurden so, wie sie geerbt oder erworben wurden, in die Einrichtung integriert. Meistens hatten sie daher natürliche oder gebeizte Holztöne. Waren die Möbel gestrichen oder lackiert, dann meist in einem ursprünglichen Weiß. Jetzt war daraus auf Grund der Alterung allerdings eher ein altweiß oder elfenbeinweiß geworden. Waren es besonders edle Möbel, dann hatten sie geschnitzte Ornamente, die mit Blattgold (eher selten) oder mit Goldfarbe überzogen waren. Goldfarbe altert natürlich auch, und so gilt heute die Farbkombination Altweiß mit unechtem Gold als die edelste Ausführung neuer Shabby-Möbel nach historischem Vorbild. Und das wiederum genau genommen nur in der ursprünglichen Auffassung des Shabby-Stils.

Englischer Shabby Chic
Englischer Shabby Chic

An dieser Stelle sind zwei wesentliche Fakten in der Entwicklung des Shabby Chic erkennbar: Dass die Möbel damals meist naturfarbene Holztöne hatten, ist im heutigen Shabby Chic vergessen. Und das Sofa auf dem Foto (um 1900) ist nur kurz typisch für den ursprünglichen Shabby Chic gewesen. Im Shabby Chic von heute sind die klassischen Polsterstoffe nicht mehr gefragt. Aus unserem eigenen Angebot wurden 2012 bis 2014 vor allem die Sitzmöbel mit floralen Stoffen nachgefragt, seitdem sind Retro-Motive sehr begehrt1). Das Foto von 2012 zeigt Stühle, die von uns restauriert und mit einem Rosenstoff neu gepolstert wurden. Das ist der Stil, der auch als „englischer Shabby Chic“ bekannt ist.

Landhaus-Schrank
Landhaus-Schrank

Während im Deutschland der 80er Jahre (Ost und West) der allgemeine Einrichtungs-Stil im Muff des sog. „Gelsenkirchener Barock“ versank (Eiche und später Kiefer), hielt sich im skandinavischen Raum stets der gustavianische Stil. Dessen Merkmale sind neben der Formsprache eine frische weiße Grundfarbe mit hellblau abgesetzten Elementen. Bei Möbeln wie auf dem Foto spricht man auch vom „schwedischen Shabby Chic“.

Heute ist diese Farbkombination auch in Deutschland wieder beliebter als Kiefer natur. Vor allem Landhaus-Möbel (oder Möbel im Landhaus-Stil) in dieser Aufmachung sind gefragt. Und weil der Shabby Chic vom Landhaus-Stil nur ein oder zwei Stücke Schmirgelpapier entfernt ist, ist dies auch eine beliebte Farbkombination des Shabby Chic. Wenn es denn einmal etwas anderes als reines Weiß (oder Altweiß) sein soll. Insofern kann der gustavianische Stil als eines der wenigen belegten historischen Vorbilder für den Shabby Chic gelten.

Nachdem die Phase der unbearbeiteten Möbel in den 1990er Jahren zu Ende ging, wurden die alten Stücke also zunehmend lackiert. Im Rückblick lassen sich dabei drei vorranginge Trends erkennen, von denen heute nur zwei dem Shabby Chic im Sinne von nostalgischer Anmutung zugerechnet werden können.

Diese drei Farb-Trends sind: bunte Pastell-Farben, intensive Buntfarben (man kann auch sagen: knallige Farben) sowie Weiß und Weißtöne.

Die zarten Pastell-Farben sind immer noch ein Kennzeichen individuell aufbereiteter Einzelstücke. Der Massenmarkt dagegen wird beherrscht von Artikeln in Weiß-Tönen und antik wirkenden Altweiß- bis Grautönen. Weitgehend verschwunden vom Markt sind die intensiven Buntfarben. Sie waren – vermutlich – eine Folge des aus den USA stammenden Einflusses der Pop Art. Einen belastbaren Beleg hierfür gibt es nicht, aber das auffallende zeitliche Zusammentreffen mit dem Trend zu intensiven Farben im Bereich Leuchten und Accessoires legt diesen Schluss nahe. Wer erinnert sich nicht an die Modefarbe Orange Ende der 70er-Jahre?

In vielen Magazinen steht in der Rubrik „Shabby Chic selber machen“ immer noch der Slogan „Erlaubt ist, was gefällt“. Wir meinen dazu: Über Geschmack lässt sich trefflich streiten. Wer seine eigenen Möbel bearbeitet, darf auf das Ergebnis stolz sein. Und die Kommentare dazu ignorieren oder goutieren, je nachdem. Und wer nicht selber Hand (bzw. Pinsel) anlegen möchte: es gibt speziell auf dem Online-Markt Angebote für alle Geschmäcker.

Shabby Chic-Wandspiegel
Shabby Chic-Wandspiegel

Neben Möbeln werden heute vor allem Wohn-Accessoires unter dem Label Shabby Chic verkauft. Deren Erscheinungsbild (neben Weiß) in Grau- und Brauntönen soll einem authentisch gealtertem Original möglichst nahe kommen. Das gelingt bei qualitativ hochwertigen Fabrik-Artikeln inzwischen erstaunlich gut. Solche Artikel entsprechen daher deutlich mehr dem eigentlichen Gedanken den Shabby Chic als einfach nur weiß angemalte Artikel. Historisches Vorbild ist hierbei ganz einfach nur der Verlauf von natürlicher Alterung (Korrosion, Vergilbung, etc.)

Indonesische Kommode "Maritim"
Indonesische Kommode „Maritim“

Eine besondere Farbkombination ist den einfachen maritimen Holzmöbeln eigen, die aus altem Bootsholz gefertigt werden. (Oder die Verwendung solchen Holzes vortäuschen.) Ihren besonderen Effekt erzielen solche Möbel dadurch, dass verschiedene kräftige Buntfarben in mehreren Schichten übereinander lackiert wurden (bzw. werden). Die einzelnen Holzelemente zeigen dabei oft verschiedene Kombinationen. Verstärkt wird der antike bzw. nostalgische Effekt durch Anschleifen, wodurch die verschiedenen Farbschichten überhaupt zum Vorschein kommen. Hier wird der nostalgische Effekt sehr gezielt mit einem assoziiertem Vorbild verbunden.

5.3 Historische bzw. nostalgische Motive

Wirkt ein Möbel oder ein Deko-Artikel nicht schon durch seine Form oder seine antike Herkunft nostalgisch, dann kann dieser Effekt durch aufgebrachte Motive hervorgerufen werden.

An dieser Stelle müssen wir die Klassifizierung „nostalgisch“ für den Shabby Chic weiter präzisieren. „Romantisch“ beschreibt den Charakter noch genauer. Manche Quellen nennen auch „feminin“ als Beschreibung.

Shabby Chic - Tablett "englisch" (Unikat von Antik mit Stil)
Shabby Chic – Tablett „englisch“ (Unikat von Antik mit Stil)

Damit ist klar, dass die strengen klassischen Motive und Ornamente ausscheiden. (Mit Ausnahme der stilisierten Lilie.) Vielmehr orientiert sich der Shabby Chic an den verspielten Mustern und Motiven des Jugendstils, Elemente des Rokoko werden verwendet, aber auch Motive aus den „goldenen“ 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Hinzu kommen insbesondere alte Handschriften aus allen Epochen sowie Darstellungen von extravaganter Damenmode vergangener Zeiten.

Holz-Tablett im Vintage-Look (Unikat von Antik mit Stil)
Holz-Tablett im Vintage-Look (Unikat von Antik mit Stil)

Die Motive werden also vor allem durch verspielte florale Elemente bestimmt. Beliebt ist auch die Verwendung von Texten in alten Lettern nach historischen Vorbildern. Die ultimative Kombination dieser Elemente sind Kopien oder Nachbildungen von alten Firmenschildern aus Frankreich und England, hierbei speziell aus dem Paris des frühen 20. Jahrhunderts.

Geeignete Motive mit nostalgisch-romantischem Charakter sind daher insbesondere:

  • Die genannten Firmenschilder
  • florale Motive
  • alte Handschriften
  • Damenporträts oder -Silhouetten, oft mit antiken Hüten
  • klassische Motive aus allen Epochen, die den genannten Kriterien entsprechen, z.B. stilisierte Lilien, Kronen, Schmuckformen

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5.4 Die Formgebung als Element des Shabby Chic

Historisches Vorbild zur Formgebung sind spezielle Stil-Merkmale der historischen Stil-Epochen.

Ähnlich wie in der Renaissance (1400 bis 1650) und im Historismus (1850 bis 1910) werden im Shabby Chic verschiedenste Elemente miteinander vermischt. Bei Möbeln finden wir oft die rechteckigen Basisformen der Gründerzeit, die Verzierungen (insb. mit floralen Elementen) folgen Rokoko und Jugendstil. Spiegelrahmen kombinieren Barock und Jugendstil in ihrer Formgebung. Möbelstücke, die gezielt die weibliche Kundschaft ansprechen sollen (Schminktische, Kommoden), kopieren den grazilen Chippendale-Stil. Großmöbel (Schränke, Vitrinen, Regale etc.) werden von den industriellen Herstellern oft im sog. Kolonialstil gefertigt. Ausgemusterte Einfachst-Möbel vom Möbel-Discounter, ohne jegliche formale Ausprägung, die einfach nur angemalt wurden, können dagegen allenfalls als shabby gelten, nicht aber als Shabby Chic durchgehen.

Wir können an dieser Stelle festhalten: Shabby Chic ist kein Synonym für „primitiv“.

Oder anders ausgedrückt: Primitive Möbel sind und bleiben primitiv, auch wenn sie unter der Bezeichnung „Shabby Chic“ angeboten werden.

Wandspiegel
Wandspiegel

Deutlich weniger streng ist es bei Accessoires und Deko-Artikeln. Bei industrieller Ware reicht die Bandbreite von gar keiner nostalgischen Formgebung bis zu übertrieben üppiger Ausgestaltung. Einfache, preisgünstige Artikel beziehen ihre formale nostalgische Anmutung durch bogenförmige Gestaltung, wie z.B. bei Tabletts (siehe Foto weiter oben). Hochwertige Artikel bestechen durch ihre Nachbildung von Formen aus dem Jugendstil. Dies sind insbesonders florale Elemente.

Aber auch hier gilt: Primitiv bleibt primitiv. Dabei gibt es inzwischen auch qualitativ richtig gute Artikel, die einem gealtertem Original aus dem Jugendstil zum Verwechseln ähnlich sind.

Küchenwaage - Nachbildung
Küchenwaage – Nachbildung

Interessant finden wir an dieser Stelle, dass fernöstliche Fabrikartikel derzeit deutlich teurer sind als die alten Originale. Omas alte Küchenhelfer, wie z.B. der Fleischwolf vom Alexanderwerk Remscheid, die Adler-Küchenwaage oder die alte Kaffee-Mühle sind derzeit für 15,- bis 20,- Euro zu kaufen (Internet-Kleinanzeigen, Ebay, Flohmarkt). Die Preise der Kopien liegen je nach Anbieter bis zum Dreifachen darüber. Dabei verkörpern die Originale die ultimative Nostalgie in sich. Shabby Chic in seiner ursprünglichen Ausprägung. Warum die Kopien beliebter sind als die Originale? Die Antwort geht über das Thema dieses Artikels weit hinaus. Vielleicht widmen wir dieser Frage demnächst einen eigenen Artikel.


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6. Was gilt für die vielen Angebote weiß angestrichener Artikel, die nicht nostalgisch aussehen?

Solche Artikel sind oft einfach nur shabby, aber nicht unbedingt Artikel im Shabby Chic-Stil. Die Abgrenzung ist nicht definiert, ist fließend, ist letztlich eine Frage der persönlichen Interpretation. Daher geben wir folgende diplomatische Antwort auf diese Frage: Es bleibt jedem Einzelnen selbst überlassen, ob er einen solchen Artikel vorteilhaft in seine Einrichtung integrieren möchte. Egal, ob der Artikel nun noch irgendwie als zum Shabby Chic zählend gelten kann oder nicht. Als allgemeine Regel formulieren wir es so: Nicht alles, was als „Shabby Chic“ angeboten wird, hat auch das Potential, zu einem stimmigen und wohnlichen Ambiente beizutragen.


7. Was ist der Unterschied zu Vintage- und Retro-Stil?

7.1 Der Vintage-Stil und die Unterscheidung vom Shabby Chic

Hier stellt sich zunächst die Frage: Was ist der Vintage-Stil überhaupt?

Die Wörterbücher und Lexika helfen uns hier nicht weiter. Der Begriff „Vintage“ bezieht sich in der englischen Sprache in erster Linie auf das Thema Wein. Umgangssprachlich steht im Englischen „vintage“ außerdem noch für „alt“, allerdings sehr unspezifisch. Im französischen Wortschatz steht „vintage“ für „nostalgisch“, das passt schon eher zu unserem Thema. Schauen wir stattdessen in der Wikipedia nach.

Auszug aus dem Wikipedia-Artikel „Vintage (Stilrichtung)“:

Vintage (vom engl. „altmodisch“, „alt“, „klassisch“, aus einer bestimmten Zeit) bezeichnet bei Kleidung, Möbeln, Musikinstrumenten, Schmuck, Accessoires, Bildern, Fahrzeugen oder anderen Gebrauchsgegenständen ein Erscheinungsbild, das wirkt, als sei der Gegenstand auf dem Flohmarkt gekauft oder vererbt worden. In der Mode versteht man unter Vintage entweder ein Kleidungsstück aus einer älteren Kollektion eines Designers oder zuweilen auch ein auf „gebraucht“ gestyltes Kleidungsstück. Im Englischen wird als Vintage jedoch nur bezeichnet, was tatsächlich alt und nicht etwa einem künstlichen Alterungsprozess unterzogen wurde. Der Begriff leitet sich vermutlich von der Verwendung in der Weinkunde ab, wo Vintage den Jahrgang oder die Lese eines Weines bezeichnet.

Hier wird es auf den ersten Blick ein wenig verwirrend. Ein Begriff – zwei Bedeutungen. Und die erste Erklärung scheint identisch mit der Beschreibung des Shabby Chic zu sein. Aber da gibt es doch einen Unterschied?

Es wird alles klar, wenn wir kurz vom Thema „Shabby Chic“ abweichen und uns die Thematik „Vintage“ Schritt für Schritt anschauen. Wer unseren Artikel zum Begriff
» Antik: was sagt dieser Begriff eigentlich aus und warum sollte man genau hinschauen gelesen hat, ahnt sicher schon, was des Rätsels Lösung ist. Dort haben wir den ursprünglichen Begriff „antik“ als linguistische Referenz identifiziert und im Folgenden zwischen „antik“ und „antiker Stil“ unterschieden. (Und außerdem noch die Abgrenzung zu „Antiquität“ beschrieben.) Möbel und andere Artikel im „antiken Stil“ imitieren echt antike Originale. Genau so ist es auch beim Begriff „Vintage“. Auch hier müssen wir den Begriff „Vintage“ von „Vintage-Stil“ unterscheiden. „Vintage“ steht für das Original, in der Übersetzung gleichbedeutend mit „Antik“. „Vintage-Stil“ oder „Vintage Style“ stehen dagegen für die Nachahmung. Der Unterschied zu „antikem Stil“ besteht darin, dass der „Vintage-Stil“ speziell für ein gebrauchtes Erscheinungsbild steht, ohne eine zeitliche Einordnung damit zu verbinden.

So ist es jedenfalls in der Theorie. In der Praxis finden wir diese Unterscheidung kaum. „Vintage“ ist fast immer die einzige Beschreibung, unabhängig davon, ob es sich um ein antikes Original handelt oder eine antikisierte Imitation. Hier hilft nur das genaue Lesen der Artikelbeschreibungen oder die persönliche Nachfrage beim Anbieter, ob es sich um ein Original oder um Neuware handelt.

Grafik Antik-Shabby-Vintage-DIY
Einordnung Antik-Shabby-Vintage-DIY

Den Wikipedia-Artikel können wir daher besser folgendermaßen zusammenfassen: Die englische Bezeichnung „Vintage“ entspricht dem deutschen „antik“. „Vintage-Stil“ bezeichnet bei Möbeln und Accessoires dagegen speziell ein Erscheinungsbild, das wirkt, als sei der Gegenstand auf dem Flohmarkt gekauft oder vererbt worden. Und zwar ohne jegliche Restaurierung. In der Praxis wird allerdings für beide Fälle nur die Bezeichnung „Vintage“ verwendet.

Nach diesen Ausführungen ist eines immerhin klar: die Bezeichnung „Vintage“ ist deutlich umfassender als „Shabby Chic“. Oder anders ausgedrückt: Der Shabby Chic (oder Shabby Style) ist eine Kategorie, die sowohl Teil der Klassifizierung „Vintage“ und „Vintage-Stil“ ist als auch Teil anderer Klassifizierungen. Zu diesen zählen u.a. „Antik“, „Antiker Stil“, „Vintage“ und auch „Do it yourself (DIY)“.

7.2 Der Retro-Stil und die Unterscheidung vom Shabby Chic

Der Retro-Stil (auch Retro-Look, Retro-Design) greift ganz allgemein auf historische Vorbilder zurück. Der Begriff Retro geht zurück auf das lateinische retro und bedeutet übersetzt „Rückwärts“. Insofern können u.a. Renaissance, Historismus und alle Formen des Eklektizismus als Retro-Welle bezeichnet werden.

Aktuell greift die Retro-Welle der letzten beiden Jahrzehnte jedoch konkret Design-Elemente der 1960er bis 1980er Jahre auf. Weiter vorne wurde schon der Einrichtungs-Stil der 1970er Jahre erwähnt. Im Automobil-Bereich dürfte jeder die Modelle VW Beetle, Mini und Fiat 500 kennen, die das Design ihrer jeweiligen Vorbilder aufnehmen. Ingesamt machen solche Retro-Produkte jedoch nur einen sehr kleinen Teil des Gesamtmarkts aus.

Im Bereich Möbel und Accessoires gibt es ebenfalls nur wenige Retro-Trends. Ein solcher waren in den 1980er und 1990er Jahren die Nachbildungen von Möbeln im Kolonial-Stil, gefertigt vor allem in Indochina und Ägypten. Die Möbel des deutschen Herstellers Warrings orientieren sich an englischen Vorbildern. Ein anderes Beispiel sind die antikisierten Sekretäre von Selva, die dem Barock nachempfunden sind. Und natürlich dürfte jeder die italienischen Stilmöbel aus den 1960er bis 1990er Jahren kennen, die mit ihren Formen, Schnitzereien und Intarsienarbeiten verschiedene historische Stile kombinieren.

Was hat nun der Shabby Chic mit dem Retro-Stil zu tun? Eigentlich (!) nichts. Das dürfte nach den bisherigen Ausführungen klar sein. Daher gilt eigentlich (!) folgendes Statement:

Der Shabby Chic kann NICHT als Retro-Stil bezeichnet werden. Denn es fehlen ihm die konkreten Vorbilder, es gibt keinen speziellen Rückgriff auf Designs einer bestimmten Epoche. Vielmehr werden entweder antike Originale unrestauriert gezielt als Einrichtungs-Element verwendet oder es werden unspezifisch Möbel und Accessoires aller Epochen und Stilrichtungen auf ein antikes Erscheinungsbild getrimmt.

Es gibt natürlich, wie schon erwähnt, einige Ausnahmen. Hierzu zählen die Nachbildungen von Barockspiegeln oder Wandspiegel und Leuchten aus dem Jugendstil. Aber hiervon abgesehen gibt es kaum Überschneidungen zwischen dem Shabby Chic und der Retro-Welle in allen ihren Ausprägungen.

Stoff mit Vintage-Print
Stoff mit Vintage-Print

Nun ist die Welt aber bunt, und nicht schwarz-weiß. Daher überrascht es nicht, wenn wir doch einen Zusammenhang feststellen. Ein gutes Beispiel sind unsere Stoffe1). Wir führen in unserem Sortiment diverse Stoffe, die konkreten Vorbildern folgen. Theoretisch sind dies reine Retro-Artikel. Man kann sie natürlich auch als Vintage-Artikel bezeichnen. Was nun aber wirklich interessant ist: Kunden, die diese Stoffe kaufen, haben weder nach „Retro“ noch nach „Vintage“ gesucht, sondern gezielt nach „Shabby“. Dem Kaufverhalten der Kunden folgend bieten (nicht nur) wir diese Stoffe auch unter dem Begriff „Shabby Chic“ an. Obwohl sie nicht wirklich zum Shabby Chic zählen.

Verständlich wird dieses Phänomen, wenn wir uns an die zuvor erklärte „nostalgische Anmutung“ erinnern.


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8. Aktuelle Trends im Shabby Chic

Wenn wir die bisherigen Ausführungen zusammenfassen, dann können wir ganz allgemein festhalten: Zunächst waren es edle Möbel und andere Gegenstände der Inneneinrichtung, die offen ihre Geschichte in Form von Gebrauchsspuren trugen. Dann wurden diese zunehmend auch bei Neuware imitiert. Hinzu kam die „Veredelung“ in Form von aufgebrachten Motiven. Die Artikel selber wurden immer einfacher (um nicht zu sagen: primitiver).

Wandspiegel im Nostalgie-Look
Wandspiegel im Nostalgie-Look

Inzwischen gibt es neue Trends, die als Shabby Chic vermarktet werden. Dazu gehören Wand-Spiegel, deren Spiegelglas mit Motiven und künstlichen Alterungs-Spuren gepimpt wird. Das gab es schon mehrfach in der Vergangenheit, zuletzt als großer Trend der 70er Jahre. Heute sind es statt Getränke-Werbung eben nostalgische Motive. Interessant ist dabei, dass solche Spiegel teilweise von hoher Qualität sind. Dasselbe gilt für Spiegel-Tabletts. Jedenfalls im Vergleich zu den überaus einfachen Shabby-Wandspiegeln, die nur aus zwei Stücken Holz, Spiegelglas und Farbe bestehen.

Handarbeits-Artikel im Nostalgie-Look (Unikate von Antik mit Stil)
Handarbeits-Artikel im Nostalgie-Look (Unikate von Antik mit Stil)

Einfache Jute- und Hanf-Dekobänder gibt es schon lange. Früher unter Country Style, Landhaus- und Cottage-Stil vermarktet, sind sie auch seit Jahren schon im Shabby Chic angekommen. Aktuell sind dagegen edle Dekobänder, Bordüren und Schleifen aus feinem Stoff, die als Gestaltungselemente verwendet werden. Seit 2016 beliebt sind zum Beispiel in Handarbeit veredelte Hutschachteln, die mit diesen Stoff-Applikationen verziert sind. Hier kommt Nostalgie in Form von Produkt, Form und Gestaltung, Design und Applikation in einem einzelnen Artikel zusammen. Dieses feminine Design richtet sich an romantisch orientierte Kundinnen, die lieber „feine“ anstatt „schäbige“ Accessoires mögen. Mit dem traditionellen Shabby Chic hat das auf den ersten Blick wenig zu tun. Eine nostalgische Inneneinrichtung lebt aber von der gekonnten Kombination. (Siehe dazu das Kapitel „Gekonnt kombinieren“.) Und natürlich gibt es auch schon Dekobänder aus Kunststoff, deren Qualität von richtig schlecht bis hin zur einigermaßen guter Imitation reicht.

Tischleuchte im nostalgischen Look
Tischleuchte im nostalgischen Look

Ein genereller Trend besteht auch darin, dass immer mehr industrielle Deko-Ware ohne die typische Gebraucht-Optik als Shabby Chic auf den Markt kommt. Ein aktuelles Trend-Beispiel sind Tisch- und Standleuchten. Die nostalgische Anmutung in Form und Design macht diese Artikel dennoch interessant für jede Innen-Einrichtung, die gekonnt „richtigen“ Shabby Chic mit zeitgenössischem Stil kombiniert.

Damit haben wir eine weitere Eigenschaft des Shabby Chic identifiziert: Es gibt gar keinen „richtigen“ oder „falschen“ Shabby Chic. Es gibt allenfalls die Unterscheidung zwischen dem traditionellen und dem aktuellen Shabby Chic. Und diese Unterscheidung verändert sich laufend. So haben wir ganz zu Anfang ja auch bereits unterschieden zwischen dem „ursprünglichen“ Shabby Chic und der Entwicklung ab den 1990er Jahren. Das bezeichnen wir hier und heute zusammen als „Traditioneller Shabby Chic“2). Bald wird sich der Umfang ändern.


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9. Techniken

Mit der Beschreibung der Techniken und Anleitungen zum Erzeugen eines antiken bzw. gebrauchten Erscheinungsbilds kann man ganze Bücher füllen. Dieses Thema soll aber ausdrücklich nicht Bestandteil dieses Artikels sein. Es gibt entsprechende Bücher und es gibt noch mehr Anleitungen im Internet. Wer bereits Erfahrung und handwerkliche Kenntnisse hat, kann auch den Kurzanleitungen in den Fachmagazinen folgen. In diesem Artikel beschränken wir uns darauf, die wesentlichen Techniken stichwortartig aufzulisten.

  • Planung, Entwurf
  • Art der Farbe auswählen (Acryl-Lack, Kreidefarbe, Pigment-Wachs, etc.)
  • Farbton (Farbtöne) wählen
  • Bei Möbeln: Beschläge demontieren oder abkleben
  • Oberfläche säubern, ggf. an- oder ablaugen, ggf. anschleifen
  • Je nach Untergrund eine Sperrschicht aufbringen
  • Farbe(n) aufbringen (Streichen, Rollen, Spritzen, Wachs: Aufpolieren)
  • Weitere Schichten nach ausreichender Trocknungszeit (!) aufbringen
  • Ggf. jeweils Zwischenschliff

Aufbringen von Motiv-Elementen:

  • Tattoos (zum Aufkleben)
  • Motiv-Schablonen (Pinseln, Tupfen, Sprühen, Spritzen)
  • Potch-Transfer (Folie, Papier, Laser-Ausdruck)
  • Freihand-Malen

Gestaltung von Gebrauchs- und Alterungsspuren:

  • Kanten anschleifen
  • Wachs-Technik (Abdeckwachs VOR dem Lackieren aufbringen)
  • Pigment-Wachs als Patina und Polieren des Vordergrunds
  • Patina-Farbe und Polieren des Vordergrunds
  • Patina mit Mal-Technik darstellen

Ggf. Versiegelung:

  • Klarlack
  • Möbel-Wachs
Weitere Informationen:
Farben und Lacke: siehe unseren kleinen Farben-Ratgeber
Möbel-Wachs, Antik-Wachs: siehe unserenWachs-Ratgeber
Shabby Chic und Vintage: Schild "Vintage Atelier Welshofen" (Handarbeit)
Shabby Chic und Vintage: Holz-Schild „Vintage Atelier Welshofen“ (Handarbeit)

Ein Beispiel mit der Kombination verschiedener Techniken (eine Arbeit des Autors): Aus einer Sperrholzplatte wurde ein Stück mit bogenförmigen Rändern ausgesägt. Die Ränder wurden rund geschliffen. Erste Farbe alt-grün, Deckfarbe elfenbein-weiß. Die Deckfarbe wurde so angeschliffen, dass die grüne Grundfarbe sichtbar wurde und an den Rändern der Platte bis aufs Holz geschliffen. Die freigeschliffenen Holzränder wurden dunkel gebeizt. Anschließend wurden die Motive mit verschiedenen Laser-Ausdrucken gepotcht. Zum Schluss wurde die Arbeit mit Klarlack (seidenmatt) versiegelt.


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10. Gekonnt kombinieren

Dieses Kapitel umfasst zwei verschiedene Aspekte der Kombination:

  • Kombination verschiedener Stil-Elemente in einem Shabby Chic-Artikel
  • Kombination von Shabby Chic-Artikeln miteinander und Integration von Shabby Chic-Artikeln in eine stimmige Einrichtung

Die Fachmagazine bieten viele Einrichtungs-Tipps, wie bestimmte Artikel im Shabby Chic in eine Gesamt-Einrichtung integriert werden können. Hier gilt ganz allgemein: Einrichtungsgegenstände und Accessoires im Shabby Chic sind grundsätzlich sehr gut für eine Integration in verschiedenste Einrichtungs-Stile geeignet. Das wesentliche Element des Shabby Chic ist ja die nostalgische Anmutung. Und diese passt sowohl zu klassischen als auch zu modernen Einrichtung-Stilen.

Es gibt dabei aber verschiedene Szenarien, bei denen diese Kombination problematisch ist. In einer in sich stimmigen Einrichtung in einem ganz bestimmten Stil (der nicht Shabby Chic oder Vintage ist) werden stilfremde Elemente immer als Fremdkörper wahrgenommen werden. Beispiele solcher Einrichtungs-Stile sind:

  • Klassische Einrichtungen nach bestimmten Stil-Epochen
  • Einrichtungen mit z.B. italienischen Stilmöbeln
  • Moderne, zeitgenössische Stile
  • Einrichtungen, die einem bestimmten Design-Stil folgen (z.B. IKEA)

Dies ist natürlich kein spezielles Problem des Shabby Chic – im Gegenteil lassen sich Shabby Chic-Artikel meist besser in bestehende Einrichtungen integrieren als z.B. Gründerzeit-Möbel in eine Biedermeier-Einrichtung. Oder moderne Accessoires in eine klassische Einrichtung. Ganz allgemein können wir sagen: Nostalgische Elemente lassen sich besser in moderne Einrichtungen integrieren als umgekehrt.

Nostalgische Deko- und Wohn-Accessoires
Nostalgische Deko- und Wohn-Accessoires

Im Bereich der Wohn-Accessoires und Deko-Artikel ist es dagegen wesentlich einfacher. Shabby Chic und viele Arten antiker und moderner Deko-Artikel lassen sich oft sehr harmonisch miteinander kombinieren. Dabei ist, wie bereits aufgezeigt wurde, für viele Artikel gar keine Einordnung in Shabby Chic oder in eine andere Stil-Kategorie möglich. Die Grenzen sind einfach zu schwammig. Hier sind es oft die Farben und Farbkombinationen, die ein stimmiges Ensemble verschiedener Stile ermöglichen. Genauso einfach ist es aber auch, Disharmonien zu erzeugen. Die Farbe Weiß hilft hier, auch ohne Erfahrung mit Farbkombinationen Accessoires und Deko-Artikel miteinander erfolgreich zu einer stimmigen Einrichtung zu kombinieren. Farbige Artikel können, passend miteinander kombiniert, allerdings ein wesentlich freundlicheres, lebendigeres Ambiente erzeugen. Das erfordert allerdings einige Erfahrung und Geschick.

Für den Einzelfall gilt daher: Eine fachlich fundierte Einrichtungs-Beratung ist auch für den Shabby Chic hilfreich, um geschmackliche Verirrungen zu vermeiden.

Und auch bei der Kombination von verschiedenen Shabby Chic-Artikeln untereinander ist ein erfahrener Geschmack hilfreich.

Anregungen für stimmige Kombinationen bieten die diversen Fachmagazine an. Auf unseren Facebook-Seiten stellen wir ebenfalls ausgewählte Beipiele vor.

Gründerzeit-Stuhl im Vintage-Look restauriert
Gründerzeit-Stuhl im Vintage-Look restauriert

Der zweite Aspekt betrifft das Design von Möbeln und Accessoires an sich. Durch die geschickte Kombination von echten Originalen mit zeitgenössischen Retro-Motiven1) eröffnen sich weitere Möglichkeiten der individuellen Inneneinrichtung. Das Foto zeigt einen Original Gründerzeit-Stuhl, der mit einem der Trendstoffe ab 2014 neu gepolstert wurde. Nach der Formel „Antiquität plus Retro-Motiv gleich nostalgische Anmutung“ zählt dieser Stuhl auch ohne künstliche Gebrauchsspuren zu Vintage und Shabby Chic. Und wegen der „unperfekten“ Stoff-Wahl auch eindeutig eher zum Shabby Chic als zu allen anderen Stilen.

Wichtiger als die Wort-Klauberei ist hier: dieser Stuhl passt perfekt in verschiedenste Einrichtungs-Stile, weil er in genau dieser Aufmachung die Brücke zwischen antik, shabby und modern aufspannt. Das ist eines der „weichen“ Qualitäts-Merkmale von Artikel im Shabby Chic: manche passen in die nobelsten Umgebungen, andere nicht.


11. Zusammenfassung

Die Aufgabe dieses Fachartikels war, den Stil und die Merkmale und Ausprägungen des Shabby Chic möglichst umfassend und objektiv zu beschreiben. Im Laufe dieser Arbeit zeigte sich, dass sich das aktuelle Angebot des Marktes (und das, was man aktuell unter „Shabby Chic“ versteht) schon weit entfernt hat von den Ursprüngen des Stils.

Es wird daher unterschieden zwischen dem ursprünglichen Shabby Chic, dem traditionellen Shabby Chic2) und den aktuellen Trends. Nachfolgend werden die wesentlichen Merkmale und Ausprägungen des Shabby Chic so beschrieben, dass sie als Versuch einer Definition verstanden werden können.

Geschichte und Entwicklung des Shabby Chic

  • Der Shabby Chic hat seinen Ursprung im England der 1980er Jahre. Eine alternative Szene entstand, die edle, aber „abgenutzte“ Möbel aus Nachlässen und von Flohmärkten in ihre Wohnungseinrichtungen integrierte. Es war eine Art Gegenbewegung zum Trend zu kostspieligen Einrichtungen im viktorianischen Stil, den sich die sog. Upper Middel Class leisten konnte.
  • Die englische Stylistin Rachel Ashwell begann, mit solchen Originalen zu handeln.
  • 1989 eröffnet Rachel Ashwell ihren ersten Laden in Kalifornien. Aus diesem Anfang entstehen in den Folgejahren einige Unternehmen, die solche Möbel als Repliken herstellen. Dabei entsteht auch die Bezeichnung „Shabby Chic“, der von der kalifornischen Firma Shabby Chic Brand LCC als Warenzeichen geschützt wird.
  • Ab den 1990er Jahren werden derartige Möbel zunehmend auch in Europa hergestellt. In den 2000er Jahren entdecken durch die aufkommenden Internet- bzw. Online-Marktplätze (wie z.B. Ebay) auch viele Privatanbieter diesen neuen Trend.
  • Noch wird dieser Trend „used look“ genannt.
  • Gegenüber den renommierten Herstellern von Möbeln im Antik-Stil, die ebenfalls antikisiert werden, sind jene Möbel jedoch von geringerer Qualität.
  • In den 2000er Jahren kommen zunehmend auch Klein-Möbel, Accessoires und später noch Deko-Artikel hinzu.
  • Um 2010 herum verschwindet der Begriff „used look“ und die Bezeichnung „Shabby Chic“ etabliert sich.
  • Um 2015 herum umfasst das Angebot Möbel, Accessoires, Deko-Artikel, elektrische Leuchten, Stoffe, Gardinen und neuerdings auch Garten-Deko im Shabby-Chic.
  • Die meisten dieser Artikel werden inzwischen in Asien (China, Indonesien, etc.) hergestellt.

Eigenschaften und Merkmale

  • Shabby Chic ist der moderne Ausdruck für Einrichtungsgegenstände, die eine nostalgische Anmutung haben. Egal, ob echt (weil antik) oder gezielt nachgemacht.
  • Die nostalgische Anmutung kann durch bestimmte Gestaltungs-Elemente gezielt hervorgerufen werden.
  • Die wesentlichen Gestaltungs-Elemente sind:
  • Formgebung
  • Künstliche Gebrauchs- und Alterungsspuren
  • Historische Farbkombinationen
  • Historische bzw. nostalgische Motive
  • Die Farbe Weiß ist KEIN Kriterium für den Shabby Chic. Zwar wird ein großer Teil aller Waren in weiß angeboten, der traditionelle Shabby Chic umfasst aber insbesondere Pastell-Farbtöne.
  • Da der ursprüngliche Shabby Chic historische Orignale mit ihren jeweiligen Farbkombinationen umfasste, sind auch heute diese Farbkombinationen Bestandteil des Shabby Chic.
  • Einrichtungs-Gegenstände im Shabby Chic sind besonders gut geeignet zur stimmigen Integration in viele Einrichtungen.
  • Der Shabby Chic ist mit seinen speziellen Ausprägungen eine eigene Stil-Richtung innerhalb des Vintage-Stils. Die Grenzen sind allerdings unscharf.
  • Als Daumenregel kann folgende Unterscheidung helfen: Wenn ein altes Möbel oder Accessoire gut restauriert ist, dann ist es Vintage. Wenn es nicht perfekt ist, dann ist es Shabby Chic.
  • Wenn ein Gegenstand nicht nur nostalgisch erscheint, sondern auch romantisch oder feminin, dann ist es Shabby Chic.

Trends

  • Ab ca. 2015 wird zunehmend Ware unter dem Label „Shabby Chic“ angeboten, die tatsächlich nur wenig oder sogar nur sehr wenig mit der Klassifizierung „Shabby Chic“ zu tun hat.
  • Ein Beispiel hierfür ist die weiter oben gezeigte Tischleuchte, die zwar das nostalgische Vorbild 1:1 wiedergibt, aber auf jegliche Andeutung von Alter, Gebrauch und Abnutzung verzichtet.
  • Es wird zunehmend schwieriger, die Qualität der online angebotenen Artikel einzuschätzen. Während die Qualität der von professionellen Restauratoren und Designern aufgearbeiteten antiken Artikel gleichbleibend ausgezeichnet gut bleibt, entwickeln sich die industriell hergestellten Artikel hierbei immer weiter auseinander. Manche sind richtig gut, manch andere sind dagegen schlecht, sehr schlecht oder sogar absolut schlecht.
  • Industrie-Ware wird zunehmend gegenüber Originalen vom Flohmarkt bevorzugt.
  • Handarbeit ist dagegen wieder gefragt (Hutschachteln, Deko-Kästchen, etc.)
  • Eine Hilfe beim Online-Kauf von Shabby-Artikeln sind die Bewertungen von den bisherigen Kunden. Aber das gehört jetzt nicht mehr zum Thema.

12. Quellen und Referenzen

Langenscheidt Online-Wörterbuch Englisch-Deutsch
Oxford Dictionaries
dict.leo.org
Wikipedia-Artikel „Shabby Chic“
Rachel Ashwell: Shabby Chic, Christian Verlag, 1999
schoener-wohnen.de

Dieser Artikel basiert im Wesentlichen auf dem Know-How und der Erfahrung aus der eigenen Geschäftstätigkeit der Antik mit Stil GmbH:
Homepage der Antik mit Stil GmbH

Online-Angebote der Antik mit Stil GmbH im Shabby Chic:
Ebay-Shop Shabby-Antik

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Fotos: © Antik mit Stil GmbH, Lizenz CC BY-ND


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Nachwort

Hamburg, 18.01.2017 – Auf der Berliner Fashion Week 2017 scheint es einen Trend fort vom Shabby Chic zu geben, hin zu Prunk und Pomp. Sollte sich dieser Trend bewahrheiten, dann wird es in ein paar Jahren auch in der Wohnungseinrichtung wieder einen Wechsel geben. Erste zaghafte Anzeichen dafür stellen wir bereits bei unseren Möbeln fest. Man darf gespannt sein.
Artikel im Hamburger Abendblatt


Der Verfasser dieses Artikels, Dipl.-Ing. Tilo Klesper, ist Geschäftsführer der Antik mit Stil GmbH. Antik mit Stil ist ein kleines Unternehmen, das neben antiken Möbeln und Antiquitäten auch mit Landhaus-Möbeln, Stoffen und Accessoires im Shabby Chic handelt. Im eigenen Vintage-Atelier werden Einzelstücke im Shabby Chic selbst aufbereitet.

Die Antik mit Stil GmbH hat ihren Sitz in Welshofen, einem Ortsteil von Erdweg, im Landkreis Dachau. Welshofen liegt nahe der A8 zwischen München und Augsburg.


1) Polster- und Dekostoffe mit solchen Designs finden Sie in unserem Stoff-Sortiment:
» Unser Stoffsortiment bei Ebay

2) Anm. des Verf.: Den Begriff „Traditioneller Shabby Chic“ habe ich verwendet, weil er mir passend schien. Eine Referenz hierfür gibt es meines Wissens bisher nicht. (Stand 16.09.2016)

Verlinkung: gerne. Abdruck, Vervielfältigung und Verbreitung nur als Ausdruck (Print) dieser Webseite ohne jegliche Veränderung und nur mit Angabe der Quelle „https://www.antikmitstil.com“ zulässig. Jede andere Form bedarf unserer ausdrücklichen besonderen Genehmigung. PDF auf Anfrage.

Die allgemeine, freie Verwendung des geschützten Begriffs „Shabby Chic“ wird übrigens von den Markenzeichen-Inhabern geduldet.


Letztes Update: 25.04.2018


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